Interviewer: Herr Reime, in den sozialen Medien werden häufig ausführliche Marktanalysen und Kommentare zu Investitionen geteilt, wie etwa zu Aktienindizes oder spezifischen Unternehmen. Was sind aus rechtlicher Sicht die wichtigsten Punkte, die bei solchen Inhalten beachtet werden müssen?
Rechtsanwalt Reime: Bei der Veröffentlichung von Marktanalysen und Anlagekommentaren ist Vorsicht geboten, vor allem in Bezug auf die Abgrenzung zwischen allgemeiner Marktinformation und Anlageberatung. Hier gibt es klare rechtliche Rahmenbedingungen, die von den Finanzaufsichtsbehörden, wie der BaFin in Deutschland, überwacht werden. Wer etwa eine persönliche Einschätzung zu einem Aktienindex oder Unternehmen teilt, darf dies grundsätzlich tun, solange keine spezifischen Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an einzelne Personen ausgesprochen werden. Eine solche Empfehlung könnte als unerlaubte Anlageberatung gewertet werden, die eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) erfordert.
Interviewer: In dem besprochenen Fall spricht der Anbieter über Marktbewegungen, die Rolle der US-Notenbank, die Arbeitsmarktdaten und sogar über konkrete Unternehmen wie Google und Tesla. Was macht eine solche Analyse problematisch?
Rechtsanwalt Reime: Problematisch kann es werden, wenn der Eindruck entsteht, dass konkrete Handlungen nahegelegt werden, etwa durch Sätze wie „darauf sollte man achten“ oder „ich erwarte, dass der Markt so reagiert“. Solche Aussagen können potenziell als Empfehlungen interpretiert werden, besonders wenn eine Person ohne die nötige Erlaubnis direkt oder indirekt dazu aufruft, eine bestimmte Aktie zu kaufen oder zu verkaufen. Solange es sich um allgemeine Informationen und Meinungen handelt, sind diese jedoch grundsätzlich zulässig. Wichtig ist, dass deutlich gemacht wird, dass dies keine individuellen Empfehlungen sind und dass der Anbieter selbst keine Haftung für die Entscheidungen der Zuschauer übernimmt.
Interviewer: Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn ein Marktkommentar einen starken Einfluss auf die Handlungen der Zuhörer hat und es zu Verlusten kommt?
Rechtsanwalt Reime: Haftungsfragen können dann relevant werden, wenn der Anbieter nicht klar zwischen seiner Meinung und einer tatsächlichen Empfehlung unterscheidet. Wenn jemand ohne entsprechende Lizenz eine Art von Anlageberatung anbietet und es dadurch zu Verlusten bei Anlegern kommt, können Schadensersatzforderungen entstehen. Das heißt, wer in seinen Videos oder Beiträgen den Eindruck erweckt, dass seine Zuschauer eine bestimmte Aktie kaufen oder verkaufen sollten, geht ein erhebliches Risiko ein, wenn er sich nicht an die rechtlichen Vorgaben hält.
Interviewer: Im Video werden auch politische Themen und Entscheidungen, wie die möglichen Reaktionen der US-Notenbank und die wirtschaftliche Situation in den USA und Europa, besprochen. Sind solche politischen Analysen problematisch?
Rechtsanwalt Reime: Politische und wirtschaftliche Analysen, die sich auf allgemein zugängliche Informationen stützen und die Entwicklungen kommentieren, fallen eher in den Bereich der freien Meinungsäußerung. Das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt in Deutschland auch das Kommentieren wirtschaftlicher Zusammenhänge, solange klar ist, dass dies nicht als konkrete Handlungsempfehlung für Anlageentscheidungen gedacht ist. Aber auch hier gilt, dass die Grenzen zur Anlageberatung oder Werbung klar erkennbar sein müssen. Besonders bei der Kombination aus Marktanalysen und Aussagen zu einzelnen Unternehmen muss Transparenz darüber herrschen, dass es sich um eine subjektive Einschätzung handelt.
Interviewer: Der Anbieter spricht zudem über die Reaktion der Märkte auf Ereignisse wie Arbeitsmarktdaten und Quartalszahlen von Unternehmen. Was sollte man dabei aus rechtlicher Sicht unbedingt beachten?
Rechtsanwalt Reime: Entscheidend ist, dass stets darauf hingewiesen wird, dass vergangene Entwicklungen keine Garantie für zukünftige Ereignisse sind. Es handelt sich hierbei um den sogenannten „Risikohinweis“, der klarstellen muss, dass jede Investition mit einem Risiko verbunden ist und dass Marktprognosen auch falsch liegen können. Wer solche Risikohinweise nicht einbindet und dabei vielleicht noch implizit Gewinne in Aussicht stellt, könnte sich im schlimmsten Fall dem Vorwurf der Irreführung aussetzen.
Interviewer: Im Video wird auch auf Software und automatisierte Chartanalysen hingewiesen, die angeboten werden. Was gibt es hierbei aus rechtlicher Perspektive zu beachten?
Rechtsanwalt Reime: Bei der Bewerbung von Analyse-Software oder Tools zur Unterstützung von Anlageentscheidungen müssen Anbieter darauf achten, dass die Werbung nicht den Eindruck erweckt, dass diese Tools sichere Gewinne garantieren können. Auch hier gilt: Es muss klar gemacht werden, dass diese Tools lediglich als Hilfsmittel dienen und dass die finale Entscheidung beim Nutzer liegt. Zudem müssen Anbieter von solchen Dienstleistungen darauf achten, ob sie eventuell eine Finanzportfolioverwaltung oder eine Anlagevermittlung betreiben, die in Deutschland ebenfalls erlaubnispflichtig ist.
Interviewer: Zum Schluss: Welchen rechtlichen Rat würden Sie Anbietern geben, die sich in diesem Bereich bewegen und ihre Inhalte online teilen möchten?
Rechtsanwalt Reime: Mein Rat wäre, sehr transparent zu sein und immer klarzustellen, dass die Inhalte lediglich der Information und Meinungsäußerung dienen. Es ist wichtig, regelmäßig darauf hinzuweisen, dass keine individuelle Anlageberatung erfolgt und dass Anleger ihre Entscheidungen selbstständig treffen sollten. Risikohinweise sollten ebenfalls nicht fehlen. Wer allerdings regelmäßig und detailliert zu spezifischen Investitionen rät, sollte sich beraten lassen, ob er eine Erlaubnis der BaFin benötigt. Denn nur so kann man rechtliche Fallstricke vermeiden und sich auf die Inhalte konzentrieren, ohne Risiken einzugehen.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre rechtlichen Einschätzungen und hilfreichen Hinweise.
Rechtsanwalt Reime: Sehr gerne.
Schreibe einen Kommentar